2010-02-05

Kontraste am Freitag






Deles Auto ist nach wie vor defekt. Joe hilft mit seinem red cab aus, einem kleinen Suzuki, in Lagos eigentlich ein "no go car", vor allem für "ogas" (Chiefs).
Joe fährt uns zuerst zu Nike, einer in Nigeria sehr bekannten Künstlerin. Sie feiert ein Fest, TV-Stationen sind vor Ort, Regierungsgäste aus ganz SSA-Afrika kommen. Sagt man uns zumindest. Viel Security, dicke Autos (Joes Suzuki wirkt vergleichsweise wie ein Matchboxauto), Ansprachen, gespielte Folklore, Champagner, Small Talk, Sehen und Gesehen werden - last but not least: Business

Tag der Kontraste. Wir machen uns auf den Weg nach Lagos Island, einem Ort des geschäftigen Treibens, der Enge und Hektik, abgewirtschaftete Gebäude, laute Menschen.
Wir wollen noch mehr von Lagos und den Menschen kennenlernen. "I bring you to average Lagos, to my home. No rich people, no poor people", sage Joe. Es ist eng im Suzuki, vorne auf der Ablage liegt die Bibel, daneben hängt die Flagge Nigerias, aus den Lautsprechern scheppert laute Musik, von Störungen durchbrochen, kaum auszuhalten. "I love good music", sagt Joe und dreht die Lautstärke noch weiter auf.
Auf dem Weg zum "average Lagos" machen wir in einem Fastfood-Restaurant Halt. Wir bestellen jene Mahlzeit, die wir seit unserer Ankunft in Nigeria zu uns nehmen: Chicken.
Während wir zahlen, spricht uns ein junger, schmaler, blasser Mann an. "Sind Sie Deutsche?"
Es ist Mike, ein Zivildienstleistender aus Berlin. 12 Monate lang arbeitet er in Lagos in einer Fördereinrichtung für Blinde, scannt Bücher für die Blindenbibliothek. Er lebt bei einer nigerianischen Familie, hatte in den vergangenen 5 Monaten drei Mal Malaria und verspürt heute die Sehnsucht nach einem Hauch von Luxus: Pommes Frites und ein Chickenburger, gutes Essen, das er sich ansonsten kaum leisten kann bei dem Gehalt, das er bekommt. Er lädt uns in sein Office ein. Überall Blinde, Menschen, die in Nigeria nichts zählen, weil sie behindert sind. "Man versteckt die Behinderten, wenn Besuch ins Haus kommt, diese Menschen sind hier nichts wert", sagt Mike.

Wir fahren weiter, "do you want to see Lagos?", fragt Joe und biegt in eine Seitenstraße. Wir sehen Mütter, wie sie ihren Kindern die Haare flechten, Frauen, die die engen Gassen fegen. Wir sehen Boys auf Motorrädern sitzen: Gestylte mit coolen Brillen, Apathische, aggressiv Blickende, Verwunderte, freundlich Winkende. Joe teilt ein: "These are bad boys, these are friendly boys." Woran dies zu erkennen sei, wollen wir wissen. "I see it from their faces."
Wir landen in einer Sackgasse, für uns scheint das Ende der Welt zu nahen, Worte fehlen für das, was wir sehen. Joe spürt unsere Unsicherheit. "God is with us", sagt er.

Zwischenstopp in einer Bar, Joe lädt uns auf ein Bier ein - Alkohol nachmittags bei 35 Grad, .....Joe leert seine Flasche in einem Zug und ordert eine zweite. "Drinking and driving is not good", sagen wir. Joe und alle anderen Gäste lachen laut.
Es wird dämmrig als wir seinen Wohnort erreichen. Wir gehen durch einen engen R
aum, einer Näherei, "This is my shop, I am also a fashion designer", erklärt Joe, anschließend durch einen noch engeren, finsteren Gang ohne Licht (die Küche) und kommen in einen schmalen Hinterhof, von dem aus kleine Türen in winzige Wohnungen (bestehend aus einem Raum, der durch Stoffe in zwei Zimmer aufgeteilt ist) führen, liebevoll ausgestattet. "Eleven families are living here."
Modeshow mit Joes Collection, Posing wie bei Germanys Next Top Model, stolze, schöne Mädchen.
Joe fährt uns zurück in unser Hotel. Auf der Gegenfahrbahn stauen sich die Autos mindestens 20 Kilomter lang - ein gewöhnlicher Anblick in Lagos während der Stoßzeit.

Von Joes Wohnung zu unserem Hotel benötigen wir 25 Minuten.
Seine Rückfahrt werde mindestens 4 Stunden dauern, schätzt Joe - ohne Seufzen und Fluchen. Er ist glücklich. "White people came to my house, God bless you." sagt er zum Abschied.